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4 ESG-Richtlinien, die Unternehmen im Auge behalten sollten

Aktuelle Entwicklungen bei EU-Taxonomie, CSRD, ESRS und CSDDD: Erfahren Sie, warum diese Richtlinien für Ihren Weg zur Nachhaltigkeit so wichtig sind. Plus: Double Materiality.


  • By Teodora Radosavljevic & Sonja Simek
  • Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeitsmaßnahmen in die Geschäftsstrategie zu integrieren, ist für viele Unternehmen eine Selbstverständlichkeit. Die Herausforderung besteht darin, diese Aktivitäten messbar und sichtbar zu machen (Stichwort ESG-Reporting) – und vor allem die sich laufend ändernden EU-Verordnungen und -Richtlinien einzuhalten.

Bei der RBI beschäftigen wir uns intensiv mit regulatorischen Themen – sowohl in unserem eigenen Interesse als auch um unsere Kunden zu beraten und auf dem Laufenden zu halten. In diesem Artikel fassen wir 4 Richtlinien zusammen, die besonders relevant für die ESG-Berichterstattung von Unternehmen sind:

Die Basis: EU-Taxonomie & Corporate Sustainability Reporting Directive

Die EU-Taxonomie und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) stellen wichtige Meilensteine in der Entwicklung der Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Europäischen Union dar. 

EU-Taxonomie erklärt
Die EU-Taxonomie wurde 2020 veröffentlicht – mit dem Ziel, ein Klassifizierungssystem zu schaffen, mit dem festgestellt werden kann, welche Wirtschaftstätigkeiten nachhaltig sind und wesentlich zu einem oder mehreren der Umweltziele der Taxonomie beitragen. 

Zu diesen Zielen gehören:

  • Anpassung an den Klimawandel und dessen Eindämmung
  • Nachhaltige Nutzung und Schutz von Wasser- und Meeresressourcen
  • Übergang zur Kreislaufwirtschaft
  • Vermeidung und Kontrolle von Umweltverschmutzung
  • Schutz und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme

Delegierte Rechtsakte zur Taxonomie liefern sowohl technische Screening-Kriterien für einen signifikanten Beitrag zu den Umweltzielen als auch Vorlagen und Anleitungen zur Berechnung und Berichterstattung von Taxonomie-KPIs für Finanz- und Nicht-Finanzinstitute (CapEx, OpEx, Umsatz, Green Asset Ratio und andere).

CSRD erklärt
2021 von der Europäischen Kommission vorgeschlagen, baut die CSRD auf der bestehenden Richtlinie zur Non-Financial Reporting Directive (NFRD) auf. Sie zielt darauf ab, die Transparenz und die Qualität der Berichterstattung über Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte durch Unternehmen zu verbessern.

Die CSRD wurde entwickelt, um Lücken und Schwächen der bestehenden NFRD zu adressieren. Sie ist Teil der umfassenden Bemühungen der EU, eine nachhaltigere Wirtschaft zu fördern und die Integration ökologischer und sozialer Faktoren in unternehmerische Entscheidungsprozesse zu verbessern. 


Die 3 Hauptziele der CSRD:

  • Erhöhung der Transparenz
  • Verbesserung der Vergleichbarkeit
  • Stärkung der Unternehmensverantwortung

Die Einführung der CSRD läutet eine neue Ära der Nachhaltigkeitsberichterstattung ein und wird erhebliche Auswirkungen auf Unternehmen und ihre Stakeholder haben. 

Unternehmen werden ihre Berichterstattungsprozesse überarbeiten müssen, um die Einhaltung der neuen Anforderungen zu gewährleisten. Sie müssen ihre Tätigkeiten künftig nach dem Prinzip der doppelten Wesentlichkeit (Double Materiality) bewerten – bestehend aus Umwelt- und sozialer Wesentlichkeit (wie sich eine Organisation auf ihre Umwelt auswirkt) und finanzieller Wesentlichkeit (wie sich die Umwelt auf die Organisation und ihre Finanzlage auswirkt). Diese Entwicklungen erfordern Investitionen in Datenerfassungs-, Verwaltungs- und Auditsysteme.

Der nächste Schritt: European Sustainability Reporting Standards

Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) wurden von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) entwickelt und werden derzeit als delegierter Rechtsakt im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Sie stellen ein wesentliches Element der CSRD dar und werden als die weiterentwickelten Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen gepriesen. Falls nicht ohnehin schon geschehen, versichern wir Ihnen, dass Sie bald überall davon hören werden.  

Zum ersten Mal überhaupt müssen ESG-Informationen und Offenlegung betrieblicher Nachhaltigkeit in einem standardisierten, vergleichbaren und einheitlicheren Format in der gesamten EU berichtet werden – genau wie die Finanzberichterstattung.

Was sind die größten Herausforderungen und Chancen für die betroffenen Unternehmen?

  • Double Materiality: Es müssen sowohl die finanziellen Auswirkungen als auch die Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt bei der Bewertung der Wesentlichkeit eines Themas berücksichtigt werden („doppelte Wesentlichkeit“).
  • Verbindung zur EU-Taxonomie: ESRS verlangen die Offenlegung von Informationen in Übereinstimmung mit der EU-Taxonomie, insbesondere Taxonomie-KPIs (von NFRD und CSRD betroffene Unternehmen fallen automatisch in den Anwendungsbereich).
  • Weitreichende Informationsanforderungen: Es sind zukunftsgerichtete und rückwirkende Informationen sowie qualitative und quantitative Angaben zu machen – gegebenenfalls auch Informationen über die Wertschöpfungskette des Unternehmens, einschließlich der eigenen Geschäftsaktivitäten, Produkte und Dienstleistungen, der Geschäftsbeziehungen und der Lieferkette.
  • Obligatorische externe Prüfung: Nachhaltigkeitsinformationen müssen einer externen Prüfung unterzogen werden (in den ersten Jahren nur begrenzt erforderlich). Letztendlich sollte es sich um das gleiche Maß an Prüfungssicherheit handeln, wie es für Finanzdaten besteht.
  • Nachhaltigkeitsberichterstattung in Lageberichten: Die obligatorische Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen im Lagebericht erfordert eine Änderung der Berichtsstruktur (Aufnahme neuer und anderer Arten von Informationen).

Grundlegende Änderungen des erlassenen delegierten Rechtsakts im Vergleich zum Entwurf der EFRAG-ESRS

  • Wesentliche und verpflichtende Offenlegungen: Allgemeine Pflichtangaben sind nur noch für ESRS 2 (General Disclosure) erforderlich. Die anderen Standards unterliegen nun alle einer Wesentlichkeitsprüfung.
  • Zusätzliche Einführungsphasen: Es wurden bestimmte Opt-out-Möglichkeiten für das erste Jahr der Berichterstattung festgelegt. 
  • Freiwillige Offenlegungspflichten: Die Kommission hat mehrere von der EFRAG vorgeschlagene verpflichtende Angaben in freiwillige Angaben umgewandelt (z.B. warum das Unternehmen ein bestimmtes Nachhaltigkeitsthema als nicht wesentlich deklariert hat). 
  • Weitere Flexibilitäten bei den Angaben: Zum Beispiel bei den finanziellen Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken, bei der Einbindung von Stakeholdern und bei der Methodik für die Wesentlichkeitsprüfung.

Die Veröffentlichung von sektorspezifischen Standards für KMU und Standards für Nicht-EU-Unternehmen war ursprünglich für Mitte 2024 geplant, wurde jedoch von der Europäischen Kommission mit der letzten Aktualisierung des 2024-Arbeitsprogramms auf 2026 verschoben.

Die Zukunft: Corporate Sustainability Due Diligence Directive

Die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) konzentriert sich auf die obligatorische Sorgfaltspflicht von Unternehmen in Bezug auf Menschenrechte und Umwelt in der Lieferkette. Die Richtlinie verlangt die Einrichtung von Due-Diligence-Prozessen, um schädliche Auswirkungen zu identifizieren. Es wird notwendig sein, Aktionspläne zur Vorbeugung zu entwickeln und umzusetzen, vertragliche Zusicherungen von direkten Geschäftspartnern einzuholen und in weiterer Folge die Einhaltung der Richtlinie zu überprüfen. 

Was ist der Unterschied zwischen CSDDD und CSRD? 
Die kürzlich von der EU veröffentlichte CSRD und die CSDDD sind eng miteinander verknüpft, wobei beide Rechtsvorschriften zusammenwirken, um sich gegenseitig zu verstärken – und um sicherzustellen, dass menschenrechts- und umweltbezogene Aspekte von den Unternehmen in ihren eigenen Tätigkeiten und Wertschöpfungsketten ordnungsgemäß bewertet und umgesetzt werden. 

Während die CSRD die Berichterstattungsphase abdeckt, stellt die CSDDD sicher, dass die Unternehmen angemessene Prozesse und Bewertungen ihrer Aktivitäten festlegen. 

Warum CSDDD?
Dieser harmonisierte Rechtsrahmen innerhalb der EU

  • schützt die Menschenrechte
  • stärkt das Vertrauen in Unternehmen
  • verbessert das Risikomanagement und die Anpassungsfähigkeit
  • hilft Unternehmen, ihre negativen Auswirkungen auf die Umwelt transparenter zu machen

Es liegt in der Verantwortung der Unternehmen, negative Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt in ihren eigenen Betrieben, Tochtergesellschaften und Wertschöpfungsketten zu erkennen, zu stoppen, zu verhindern, abzumildern und zu rechtfertigen.

Welche Schritte sind für Unternehmen erforderlich?

  1. Integration der Sorgfaltspflicht in ihre Regelwerke 
  2. Identifizierung tatsächlicher oder potenzieller negativer Auswirkungen auf die Menschenrechte und die Umwelt 
  3. Verhinderung oder Abschwächung potenzieller Auswirkungen 
  4. Beendigung oder Minimierung tatsächlicher Auswirkungen 
  5. Einführung und Betreibung von Beschwerdemanagement
  6. Überwachung der Wirksamkeit von Sorgfaltspflichten und Maßnahmen 
  7. Öffentliche Kommunikation über die Due Diligence 

Was ist der Status quo?
Wir wissen noch nicht, wie die endgültige CSDDD aussehen wird. Klar ist jedoch, dass Unternehmen bald (höchstwahrscheinlich Ende 2025) eine menschenrechtliche und ökologische Due Diligence für alle Einheiten ihrer Organisation, einschließlich Lieferkette, einführen müssen. Außerdem werden sie dies gegenüber externen Stakeholdern nachweisen müssen. 

Nachdem das Plenum des Europäischen Parlaments im Juni endlich Stellung bezogen hat, haben nun die so genannten Trilog-Verhandlungen mit dem Rat und der Europäischen Kommission begonnen. Das Ergebnis dieser Verhandlungen wird die endgültige Fassung der CSDDD prägen.

Deep Dive: Double Materiality – Vorteile und Herausforderungen

Doppelte Wesentlichkeit – auch Double Materiality – ist das Konzept, sowohl die finanziellen Auswirkungen als auch die Auswirkungen auf Gesellschaft und Umwelt bei der Bewertung der Wesentlichkeit eines Themas zu berücksichtigen (Bewertung der Relevanz bestimmter Informationen für Unternehmensberichte).

Bei Umwelt- und sozialer Wesentlichkeit (Impact Materiality) geht es darum festzustellen, welche Nachhaltigkeitsaspekte wesentlich sind in Bezug auf Auswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeit und der Wertschöpfungskette des Unternehmens (Inside-Out-Perspektive), basierend auf der Schwere und Wahrscheinlichkeit tatsächlicher und potenzieller negativer Auswirkungen auf Mensch und Umwelt. 

Zusätzlich ist ein Unternehmen wiederum Umweltrisiken ausgesetzt, die sich auf seine Geschäftstätigkeit und Situation auswirken: finanzielle Wesentlichkeit (Outside-in-Perspektive). Ein Nachhaltigkeitsthema ist aus finanzieller Sicht wesentlich, wenn es finanzielle Auswirkungen auf Unternehmen auslöst, d.h. Risiken oder Chancen birgt, die kurz-, mittel- oder langfristig die künftigen Cashflows und damit den Unternehmenswert beeinflussen oder wahrscheinlich beeinflussen werden, aber zum Berichtszeitpunkt nicht von der Finanzberichterstattung erfasst werden. 

Vorteile der Einbeziehung von Double Materiality in die Wesentlichkeitsanalyse

  1. Verbessertes Risikomanagement: Unternehmen können Risiken, die ihren langfristigen Erfolg beeinträchtigen könnten, besser erkennen und steuern. Dadurch können sie kostspielige Disruptionen und Rufschädigung vermeiden.
  2. Verbesserte Einbindung der Stakeholder: Unternehmen können besser mit Stakeholdern wie Kunden, Mitarbeitenden und Gemeinden zusammenarbeiten. Dies kann dazu beitragen, Vertrauen zu schaffen und die Aktivitäten des Unternehmens zu unterstützen.
  3. Langfristige Wertschöpfung: Es kann dazu beitragen, dass das Unternehmen sowohl für die Aktionäre als auch für die Gesellschaft einen langfristigen Wert schafft. Indem sie sich mit nichtfinanziellen Auswirkungen wie ökologischen und sozialen Risiken befassen, können Unternehmen ein nachhaltigeres und widerstandsfähigeres Geschäftsmodell schaffen.
  4. Verbesserte Berichterstattung: Unternehmen können den Stakeholdern eine umfassendere und transparentere Berichterstattung bieten. Dies kann dazu beitragen, Vertrauen und Verantwortlichkeit aufzubauen und den Ruf des Unternehmens zu verbessern.
  5. Einhaltung gesetzlicher Vorschriften: In vielen Ländern sind Unternehmen inzwischen verpflichtet, über nichtfinanzielle Auswirkungen zu berichten. Durch die Einbeziehung von Double Materiality können Unternehmen die Anforderungen an die Berichterstattung besser erfüllen.

Mögliche Herausforderungen für Unternehmen 

  • Mangel an standardisierten Kennzahlen: Im Gegensatz zu finanziellen Kennzahlen, die gut etabliert und standardisiert sind, können nichtfinanzielle Kennzahlen schwieriger messbar oder über Unternehmen und Branchen hinweg vergleichbar sein.
  • Komplexe Erwartungen der Stakeholder: Verschiedene Stakeholder haben möglicherweise unterschiedliche Erwartungen, was eine wesentliche Auswirkung ist. Für Unternehmen kann es eine Herausforderung sein, herauszufinden, welche Themen wirklich wesentlich sind und wie sie Prioritäten setzen können.
  • Begrenzte Ressourcen: Die Durchführung einer umfassenden Wesentlichkeitsanalyse kann zeit- und ressourcenaufwändig sein, insbesondere für KMU, die nur begrenzte Ressourcen für die nichtfinanzielle Berichterstattung zur Verfügung haben.
  • Keine einheitlichen regulatorischen Anforderungen: Obwohl viele Länder inzwischen von Unternehmen verlangen, über nichtfinanzielle Auswirkungen zu berichten, gibt es immer noch erhebliche Unterschiede bei den rechtlichen Anforderungen in den einzelnen Ländern und Regionen. Dies kann es für Unternehmen schwierig machen, eine einheitliche Berichterstattung zu entwickeln.
  • Greenwashing-Risiko: Für Unternehmen besteht die Gefahr des Greenwashings, d.h. falscher oder irreführender Behauptungen über ihre ökologischen oder sozialen Auswirkungen. Dies kann das Vertrauen und die Glaubwürdigkeit bei Stakeholdern untergraben und den Ruf des Unternehmens schädigen.
  • Mangelndes Fachwissen zur Wesentlichkeit: Die Einbeziehung von Double Materiality erfordert ein hohes Maß an Fachwissen sowohl in der finanziellen als auch in der nichtfinanziellen Berichterstattung. Unternehmen müssen möglicherweise in die Ausbildung und Einstellung von Personal mit diesen speziellen Fähigkeiten investieren.

„Das regulatorische Umfeld verändert sich ständig und ist dynamisch – deshalb wollen wir unseren Kunden aktuelle Informationen zur Verfügung stellen, die von unserem RBI Regulatory Advisory Team aufbereitet werden“, erklärt Teodora Radosavljevic, Group Supervisory Affairs & Regulatory Governance bei der RBI, „Unser Ziel ist es, Kunden dabei zu helfen, sich in der komplexen Landschaft von ESG-Richtlinien und Reporting Standards zurechtzufinden.“

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Mit dem richtigen Partner und Top-ESG-Beratung ist Ihr Unternehmen gut aufgestellt, um die nächsten Schritte in Ihrer nachhaltigen Transformation zu gehen.

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