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Interview mit AGRANA – über die Verknüpfung von Nachhaltigkeit und Finanzierung

Sustainability-Expertin Ulrike Middelhoff und Treasury-Experte Joachim Reimann berichten, wie AGRANA mit Nachhaltigkeit umgeht und welche Chancen und Herausforderungen nachhaltige Finanzierung birgt.


  • By Ulrike Middelhoff, Joachim Reimann, Sonja Simek
  • Nachhaltigkeit
  • Success Stories

Die strategische Umsetzung von Nachhaltigkeits-Maßnahmen ist unumgänglich im Kampf gegen den Klimawandel – bringt jedoch seine Herausforderungen mit sich. Wie kann man mit Lieferketten umgehen? Wie ESG-Rating und nachhaltige Finanzierung optimal verknüpfen? Was sind Learnings aus der unternehmerischen Praxis?

Wir sprachen mit AGRANA-Fachleuten Ulrike Middelhoff, Corporate Sustainability Management, und Joachim Reimann, Corporate Treasury.

Ulrike Middelhoff, Corporate Sustainability Management
Joachim Reimann, Corporate Treasury.

Frage 1: Nachhaltigkeit ist für AGRANA bereits ein wichtiges Anliegen – was sind in Ihrer Branche besonders wesentliche Maßnahmen?

Ulrike Middelhoff: Für AGRANA, als energieintensive Verarbeiterin agrarischer Rohstoffe in den Segmenten Frucht, Stärke und Zucker, ist Nachhaltigkeit schon immer integraler Bestandteil unserer Geschäftstätigkeit. 

Durch unsere Tätigkeit am Schnittpunkt Ernährung, Landwirtschaft und industrielle Produktion stellen Klimaschutz und Klimawandelanpassung wesentliche Eckpfeiler unserer Nachhaltigkeitsstrategie dar. Unser Engagement in diesem Bereich haben wir mit der Einreichung von Klimazielen im Einklang mit dem 1,5°C Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens, bei der Science Based Targets Initiative (SBTi) und deren Validierung im September 2023 unter Beweis gestellt. 

Bis 2030 werden wir im Rahmen unseres SBTi-Commitments die Emissionen aus unserer Produktion (Scope 1+2) um 50 %, jene aus der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette (Scope 3) um über 30 %, jeweils gegenüber dem Basisjahr 2019/20, reduzieren. Darüber hinaus wollen wir bis 2040 Netto-Null Emissionen in der eigenen Produktion und bis spätestens 2050 auch über die gesamte Wertschöpfungskette ausweisen. 
Für die Emissionsreduktion in unserer eigenen Produktion bis 2040 werden wir aus heutiger Sicht rund EUR 470 Mio., davon rund EUR 213 Mio. in Österreich, investieren müssen. 

Frage 2: Lieferketten sind momentan ein zentrales Thema. Wie geht AGRANA damit um?

Ulrike Middelhoff: In Sachen Nachhaltigkeit sind wir schon einige Jahre mit unterschiedlichen Tools dabei, die Einhaltung von Sozialstandards in den agrarischen und sonstigen Lieferketten zu kontrollieren. Die große Herausforderung besteht in der Emissionsreduktion in der Wertschöpfungskette, unserem Scope 3, der immerhin rund 80 % unseres gesamten Fußabdrucks von im letzten Geschäftsjahr rund 4,9 Mio. Tonnen CO2e ausmacht und sich unserem direkten Einfluss weitgehend entzieht

Hier gilt es noch viel Überzeugungsarbeit bei unseren Lieferanten bezüglich der zunehmenden regulatorischen Anforderungen sowie jener unserer gemeinsamen Kunden zu leisten, ihnen Tools zur Berechnung von Emissionen im agrarischen Anbau nach neuesten, wissenschaftlichen Carbon Accounting Standards zur Verfügung zu stellen – und gemeinsam Maßnahmen zur Emissionsreduktion zu identifizieren und Unterstützung bei deren Umsetzung zu leisten. 

Frage 3: Was waren für Sie die Beweggründe, Finanzierung mit nachhaltigen Gesichtspunkten zu verknüpfen?

Joachim Reimann: Der Finanzierungsbedarf für das Greening der Wirtschaft ist enorm, gleichzeitig sollten Investitionen in grüne Wirtschaftstätigkeiten beziehungsweise Maßnahmen durch die Regulatorik unter dem EU Green Deal mit vergünstigten Finanzierungskonditionen gefördert werden – soweit die Theorie. In der Praxis gilt es noch das unternehmensseitig notwendige finanzielle Commitment mit der Größenordnung des potenziellen Benefits aus grünem Finanzieren in Balance zu bringen. 

Frage 4: Stichwort ESG-Rating: Was sind für Ihr Unternehmen Herausforderungen bei der grünen Transformation allgemein und bei Sustainable Finance im Speziellen? Wie wird diesen Herausforderungen begegnet?

Ulrike Middelhoff: AGRANA hat im Rahmen ihrer Klimastrategie Maßnahmen und Projekte entwickelt, mit denen Netto-Null Emissionen der eigenen Produktion bis 2040 und eine weitgehende Reduktion auch in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette bis spätestens 2050 möglich wären. 

Die Herausforderungen der grünen Transformation liegen für AGRANA weniger in fehlenden Technologien, sondern vor allem in den teilweise noch fehlenden wissenschaftlichen und regulatorischen Grundlagen. Stichworte Carbon Sequestrierung beziehungsweise Carbon Removals im landwirtschaftlichen Anbau im Rahmen der internationalen Carbon Accounting Standards von IPCC und des GHG-Protocols, sowie emissionsneutrale Bilanzierbarkeit im Rahmen der energetischen Nutzung von Biomasse. Die Regulatorik muss schnellstmöglich Rechtssicherheit für große Investitionen schaffen, um diese Punkte in Angriff nehmen zu können. 

Joachim Reimann: Die Herausforderung im Rahmen des Abschlusses unserer ersten grünen Finanzierung 2020, hier waren wir durchaus einer der Frontrunner in Österreich, lag darin passende ESG-Kriterien zur Festlegung von Ab- und Zuschlägen in den Finanzierungskonditionen zu finden. 

Frage 5: Warum war die RBI als Partner für Sie maßgeblich? Und was sind interessante Learnings aus der Transaktion?

Joachim Reimann: RBI ist seit langem einer unserer Finanzierungspartner und im Thema Green Finance sicher einer der profiliertesten Akteure in Österreich. Aufgrund des damaligen Status unserer eigenen Nachhaltigkeits- und Klimastrategie haben wir uns nach intensiver Beratung durch die RBI für eine ESG-Rating-linked Variante auf Basis eines bestehenden Ratings entschieden. Auch eine weitere Finanzierung im Herbst 2022 erfolgte mit der Bindung an dieses ESG-Rating. 

Nach drei Jahren Erfahrung sehen wir die Herausforderung bei ESG-Rating gebundenen Finanzierungsinstrumenten vor allem in zwei Aspekten: Der Intransparenz von Ratingbewertungen, um Verbesserungen erzielen und nachweisen zu können einerseits, und der zeitlichen Bereitstellung dieser Ratings durch die beauftragten Agenturen andererseits. 

Aufgrund des zunehmenden, regulatorisch getriggerten, Interesses von Unternehmen und dem Finanzmarkt an grünen Finanzierungen erleben Rating-Agenturen offenbar einen nie gesehen Zulauf, der sie an ihre Kapazitätsgrenzen und Unternehmen in die zeitliche Bredouille bezüglich des Rating-Nachweises als Bestandteil ihrer Finanzierungsverträge und Levers für die Finanzierungskonditionen bringt. 

Aus aktueller Sicht und mit der erfolgreichen Validierung von science-based Targets würde AGRANA daher heute eher versuchen ESG-KPI-based zu finanzieren.

Frage 6: Mittelfristig werden die Anforderungen an Unternehmen (vor allem in Sachen Reporting und ESG-Daten) weiter steigen – wie sind Sie hier aufgestellt? Was ist Ihr Ausblick in die Zukunft?

Ulrike Middelhoff: AGRANA beschäftigt sich bereits seit vielen Jahren intensiv mit Nachhaltigkeit, daher sehen wir uns im Großen und Ganzen gut auf die bevorstehenden zusätzlichen (Reporting-)Anforderungen vorbereitet. Dennoch wird auch bei AGRANA aktuell manches, wie zum Beispiel das Risikomanagement, neu- sowie eine stärkere Integration von Finanz und Nachhaltigkeit angedacht. 

Doch Reporting ist die geringste aller Herausforderungen, denn meinen wir die grüne Transformation tatsächlich ernst, gilt es die gesamte Wertschöpfungskette inklusive der Lieferanten, Kunden und letztendlich der Konsument:innen abzuholen und mitzunehmen. Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, der wir uns nur gemeinsam mit allen unseren Partnern – nicht zuletzt jenen aus dem Bereich der Finanzierung – stellen können.

Man in a suit navigating through a lush green forest, symbolizing ESG investments and sustainable finance." German Alt Text: "Mann im Anzug navigiert durch einen üppig grünen Wald, symbolisiert ESG-Investitionen und nachhaltige Finanzen.

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